Wer wir sind & was wir tun
Als Nachwuchsforschungsgruppe „Obsoleszenz als Herausforderung für Nachhaltigkeit – Ursachen und Alternativen“ (OHA) erforschen wir seit 2016 die Lebens- bzw. Nutzungsdauer insbesondere von Elektronikgeräten.
OHA - Wir gehen kurzlebiger Technik auf den Grund!
Unser Team besteht aus Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Wirtschafts-, Rechts-, Ingenieurs- sowie Sozialwissenschaften. Die Forschungsgruppe ist ein Verbundprojekt zwischen der TU Berlin (Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik/Zentrum Technik und Gesellschaft), dem Fraunhofer IZM (Abteilung Environmental and Reliability Engineering) und der B-TU Cottbus-Senftenberg (Fachgebiet Technik- und Umweltsoziologie). Wir werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Nachwuchsförderung Sozial-ökologische Forschung von 2016 bis 2022 gefördert.
Unser Thema: Die (zu) kurze Nutzungsdauer von Technik
Im öffentlichen Diskurs wird als Begründung für die kurzen Nutzungsdauern oft der Begriff „Obsoleszenz“ genannt. Vermutet wird dabei, dass ein Produkt, verglichen mit einem technisch möglichen Idealzustand, frühzeitig veraltet und nicht mehr gebrauchsfähig ist oder als nicht mehr funktional und brauchbar betrachtet wird. In der empirischen Forschung fehlt bisher jedoch ein umfassender Erklärungsansatz für das Zusammenwirken von Wirtschafts- und Konsumpraktiken sowie eine systematische, theoretisch fundierte Entwicklung von Strategien zur Überwindung von Obsoleszenz.
Viele Produkte des 21. Jahrhunderts verursachen sowohl bei der Produktion als auch bei der Entsorgung signifikante sozial-ökologische Auswirkungen und Probleme. So fallen allein in Deutschland jährlich etwa 1,9 Mio. t. Elektroschrott an [1], weltweit wird eine Steigerung des Elektroschrotts auf 50 Mio. t. bis 2018 prognostiziert [2] Neben geschlossenen Stoffkreisläufen, der Verbesserung von Produktionsbedingungen und nachhaltigem Design wird vor allem auch eine Verlängerung der Nutzungsdauern von Elektronikgeräten als wichtiger Hebel zur Steigerung der Ressourcenproduktivität und -effizienz diskutiert. Jedoch zeichnet sich ab, dass bei steigender Anzahl von Produkten in Haushalten [3] die Nutzungs- und Lebensdauern trotz konstanter technologischer Fortschritte konstant bleiben oder sogar kürzer werden [4].
Ob hierfür als Gründe der globalisierte und fragmentierte Produktionsprozess, Technologiewechsel, der Innovationsdruck auf dem Elektronikmarkt oder sich immer schneller wandelnde Konsumtrends und Moden in Frage kommen und welchen Anteil verschiedene gesellschaftliche Akteure und ihre Praktiken an den kürzer werdenden Nutzungsdauern haben, ist bisher noch wenig erforscht.
Unser Ziel: Gründe für Obsoleszenz von Technik erforschen
Die Nachwuchsforschungsgruppe hat zum Ziel, die Gründe für obsolet werdende Elektronikprodukte und verkürzte Nutzungsdauern zu erforschen und Strategien für einen nachhaltigeren Produktkonsum auf technischer, sozialer, gesellschaftspolitischer und ökonomischer Ebene zu entwickeln und zu bewerten.
Obsoleszenz wird dabei als ein Oberbegriff für eine Bandbreite unterschiedlicher sozio-technischer Phänomene betrachtet, die jeweils unter der Berücksichtigung der Handlungslogiken und Praktiken von Akteuren in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – Wirtschaft, Produktion, Handel, Konsum, Politik – und ihrer Interaktionen rekonstruiert werden müssen.
Unsere Praxispartner: Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis
Um „Obsoleszenz“ als sozio-technisches Phänomen umfassend verstehen und wirksam verändern zu können, ist Inter- und Transdisziplinarität, das heißt, eine enge Kooperation von Ingenieur-, Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie der Einbezug entsprechenden Praxiswissens notwendig.
Eine grundlegende Orientierung für die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe sowie mit dem Praxispartnern ist das Prinzip der Triangulation, sowohl im Hinblick auf Methoden als auch Perspektiven. Demzufolge ist es für das ganzheitliche Verständnis eines Forschungsgegenstandes essentiell, ihn aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten und die Perspektiven zusammenzufügen.
Die Praxispartner der Nachwuchsgruppe stammen aus der Zivilgesellschaft (wie Verbraucherschutz, Initiativen für langlebige Produkte, Reparaturnetzwerke, Umweltverbände), aus der Wirtschaft (sowohl Start-Ups im Bereich nachhaltiger Produkte als auch große Unternehmen der Elektronikbranche) und der Politik (umweltpolitische Institutionen). Sie sind eingebunden in die Untersuchung von Konsumpraktiken, die Entwicklung von Ansätzen des öko-innovativen Wirtschaftens und des Eco-Reliability-Checks und werden bei der Ableitung von Strategien und Transformationspfaden mitwirken.
Die Nachwuchsgruppe wird zudem von einem Beirat begleitet, dem Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis angehören und der einmal im Jahr tagt. Die Mitglieder des Beirats sind (alphabetisch geordnet):
- Prof. Dr. Tobias Brönnecke, Hochschule Pforzheim, Rechtswissenschaft
- Philip Heldt, Verbraucherzentrale NRW
- Dr. Ralph Hintemann, Borderstep Institut
- Matthias Hüskens, IFixIt
- Volker Korten, Bosch Siemens Hausgeräte GmbH
- Dr. Jörg Longmuß, SUSTAINUM
- Dr. Ines Oehme, Umweltbundesamt
- Prof. Dr. Werner Rammert, TU Berlin, Techniksoziologie
- Nina Tröger, Arbeiterkammer Wien
- Prof. Dr. Heike Weber, Karlsruher Institut für Technologie, Technikkulturwissenschaft
- Dr. Olaf Wittler, Fraunhofer IZM
Unsere Forschung: Interdisziplinär & praxisorientiert
Mit einem inter- und transdisziplinären Ansatz werden zunächst die Treiber von Obsoleszenz im Bereich Elektronikprodukte identifiziert und in ihrer Interaktion beschrieben:
- Konsumpraktiken im Kontext von kurzen Nutzungsdauern sowie Akzeptanz und Einstellungen zu langlebigen Produkten in unterschiedlichen sozialen Milieus;
- Produktions- und Wirtschaftspraktiken, die eine Ökonomie die langfristige Geschäftsmodelle und langlebige Produkte verhindern oder fördern;
- Produkteigenschaften und typische technische Fehler, die kurze Nutzungsdauern befördern.
Die differenzierte Darstellung des Problemhintergrunds bildet die Ausgangsbasis für die Entwicklung von Szenarien, Transformationspfaden und konkreten Maßnahmen, die lange Nutzungsdauern von Elektronikprodukten technisch, wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich ermöglichen. Hierzu gehören eine Prüfmethode zur Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmessung, deren Implementierung u. a. in produktpolitische Instrumente vorgesehen ist, öko-innovative Geschäftsmodelle und gesellschaftspolitische Strategien zur Verbreitung langlebiger Produkte und innovativer Praktiken wie Design for Recycling, Repair-Cafés, Upcycling oder Prosuming.