In den letzten 70 Jahren führte die fortschreitende Ausdehnung der primär industriell geprägten Konsum- und Produktionssysteme sowie die konstant wachsenden globalen Handelsverflechtungen zu einer wesentlichen Steigerung des Wohlergehens der Menschen: sie ermöglichten rasante Verbesserungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie Gesundheit, Bildung oder Mobilität. Sie trugen und tragen noch immer zu der Entwicklung und Stabilisierung demokratischer Gesellschaftsordnungen bei und führten zu einem enormen Anstieg des materiellen Wohlstands, insbesondere für die Mehrheit der Bürger*innen im Globalen Norden [1]
. Der technologische Fortschritt gilt als Motor des ökonomischen Wachstums, der vielfältige Produktinnovationen hervorbrachte, die das Leben des Menschen erleichterten und radikal veränderten [2]
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Das Problem mit dem „take-make-use-dispose“ System
Dennoch legen die seit Jahrzehnten beobachtbaren sozial-ökologischen Auswirkungen der linear orientierten Produktions- und Konsummuster offen, dass eine grundlegende wirtschaftliche Neuausrichtung unumgänglich ist. Der beschleunigte Rückgang von Biodiversität, der Klimawandel, gravierende Veränderungen der Erboberfläche oder die Zunahme sozialer Ungleichheiten sind Symptome persistenter, das heißt über langfristige Zeithorizonte hinweg wirkender Problematiken, die tief in das lineare „take-make-use-dispose“ System eingeschrieben sind [3]
.
„Take“ beschreibt die Extraktion natürlicher Ressourcen (Mineralien, Metalle, Holz, Erze etc.) aus verschiedenen Naturräumen der Erde, um sie in der folgenden Phase „make“ auf Basis einer weltweit verzahnten und individualisierten Massenproduktion (mass customization) in dinghafte Produkte umzuwandeln. Durch globale Distributions- und Handelsnetzwerke erhalten die „End“-Konsument*innen ihre erwünschten und individuell angepassten Produkte, die nach einem gewissen Nutzungszeitraum („use“) dem heimischen Aufbewahrungslager (Schrank, Keller, etc.), dem Abfallkorb, der Deponie oder der Müllverbrennungsanlage („dispose“) zugeführt werden, da sie als „unbrauchbar“ etikettiert werden, unabhängig von ihrer noch möglichen Funktionsfähigkeit [4]
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Sozial-ökologische Schadschöpfung
Dieser Modus gegenwärtiger Wertschöpfungs“ketten“, der ein Endstadium von menschengemachten Produkten impliziert (Stichwort: End-of-Life), gefährdet dauerhaft die Stabilität sowie die Resilienzfähigkeit von Ökosystemen, menschliche Eingriffe zu absorbieren, was wiederum die Verwundbarkeit menschlicher Infrastrukturen aufgrund möglicher irreversibler Naturveränderungen erhöht. Während ökonomische Wertschöpfung einer linearen „take-make-use-dispose“ Logik folgt, die auf kurze und endliche Zeiträume ausgelegt ist (z.B. kurze geplante Produktnutzungsdauern, kurzfristige Absatz- und Umsatzziele von Unternehmen, kurze Intervalle der Geschäftszahlenberichterstattung), ist die parallel entstehende sozial-ökologische Schadschöpfung entlang der Wertschöpfungskette zeitlich weitreichender und komplexer. Das heißt, während Produkte innerhalb kürzester Zeit vergehen, schreiben sich ihre sozial-ökologischen Auswirkungen in die langfristige Zukunft der Menschen und des Ökosystems Erde ein [3, 4, 5]
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Empfohlene Publikation
Kreislaufwirtschaft - Ein Ausweg aus der sozial-ökologischen Krise?
Vor dem Hintergrund einer kritischen Perspektive auf gegenwärtige Systeme der Konsumption und Produktion versucht der Band, Konzepte des Circular Economy hinsichtlich ihres Potentials für eine sozial-ökologische Transformation zu beleuchten. Dabei wird der einseitige Fokus auf Wirtschaft und Technologie kritisch diskutiert und das Zukunftsszenario einer Circular Society skizziert, das Konzepte sozialer Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit einbezieht.
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