Die Kreislaufwirtschaft, oder besser Circular Economy
wird von vielen Akteur*innen aus Politik und Wirtschaft als Lösung der gegenwärtigen Umwelt- und Ressourcenprobleme gesehen. Es gibt aber auch Kritik: So werden Fragen der sozialen und kulturellen Nachhaltigkeit und der sozialen Transformation nicht ausreichend berücksichtigt. Die Circular Economy wird zudem als ökologisches Modernisierungsprojekt betrieben, das weiterhin auf ein kapitalistisches Wirtschaftswachstum abzielt und Ziele wie gerechte Ressourcenverteilung und ein "Gutes Leben für Alle" nicht oder nur wenig berücksichtigt.
Der Begriff "Circular Society" (CS) wurde von verschiedenen Akteur*innen in Forschung und Praxis eingeführt, zu denen auch wir uns zählen. Wir möchten damit Diskurse und Ansätze hervorheben, die über technologische und marktbasierte Lösungen hinausgehen. Wir möchten Ansätze beschreiben, die den Übergang zur Kreislaufwirtschaft als tiefgreifende sozial-ökologische Transformation begreifen.
Ein Name - viele Definitionen
Der Begriff Circular Society mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt, die eine unterschiedliche Intensität des Wandels implizieren.
Eine mehr oder weniger einfache Bedeutung von CS unterstreicht, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung nicht ohne das Engagement und die Beteiligung der Gesellschaft möglich ist. Daher muss die Kreislaufwirtschaft auch sozialpolitische Maßnahmen umfassen, die sich an die Verbraucher*innen von Kreislaufprodukten und -dienstleistungen richten.
Eine weitere Bedeutung erweitert die Rolle der Kreislaufwirtschaft auf die Gesellschaft und argumentiert, dass zirkuläre Prinzipien auch auf den Fluss von Wohlstand, Wissen, Technologie und Macht angewendet werden sollten, die unter allen Mitgliedern der Gesellschaft umverteilt werden sollen.
Diese Perspektive wird durch eine dritte Bedeutung von Circular Society unterstützt, die die von der Circular Economy beabsichtigten sozioökonomischen Übergänge mit Erzählungen über Wohlbefinden und gesellschaftlichen Wohlstand oder Fortschritt in Verbindung bringt. Sie geht über das Ziel der Entkopplung von Ressourcennutzung und Wirtschaftswachstum hinaus und bezieht sich auch auf eine Entkopplung von Vorstellungen über das "Gute Leben" und gesellschaftlichen Wohlstand vom Wirtschaftswachstum. Eine Kernidee besteht darin, die vorherrschenden Prinzipien und Bedeutungen der wirtschaftlichen Praxis durch alternative Narrative zu ersetzen, die in aktuellen Diskursen über soziale Nachhaltigkeit, nachhaltige Entwicklung, soziale Gerechtigkeit und solidarische Lebensqualität verwurzelt sind.
Dies führt zu einer vierten Bedeutung, in der Circular Society als gesellschaftliche Vision verstanden wird, die auf die Etablierung eines partizipativen, kommunitären, solidarischen und zirkulären Konsum- und Produktionssystems abzielt. Circular Society bedeutet hier, das radikale Potenzial des sozial-ökologischen Umbaus zu realisieren und eine tiefgreifende Transformation zu fördern.
Circular Society = Ökonomie für eine Gutes Leben in planetaren Grenzen
Ein wichtiges Argument, das hinter vielen Circular Society-Konzepten steht, ist, dass Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln kein Selbstzweck sind. Vielmehr soll die Wirtschaft den Haushalt der Gesellschaft so führen, dass alle heutigen und zukünftigen Haushaltsmitglieder gut oder zumindest gleich gut versorgt sind und die vorhandenen Ressourcen entsprechend verwaltet werden. Die Circular Economy-Ansätze mit ihrem derzeitigen Schwerpunkt werden die Verwaltung der Ressourcen verbessern, aber es ist fraglich, ob alle Mitglieder des globalen Haushalts gleichermaßen davon profitieren werden. Die Circular Society soll die Kreislaufwirtschaft "sozialisieren", das heißt, die Frage, wie die Wirtschaft ein gutes Leben für alle Menschen innerhalb der planetarischen Grenzen ermöglicht, wird in den Mittelpunkt gestellt.
Dazu gehört auch eine andere Definition von Wert und Wertschöpfung. Gegenwärtig steht der monetäre Tauschwert von Produkten, das heißt der Gewinn, den ein Produkt oder eine Dienstleistung auf dem Markt bringt, im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns. In der CS ist die soziale und ökologische Wertschöpfung die wesentliche Orientierung. Ziel ist somit eine mehrdimensionale Wertedefinition, die auch den sozialen und ökologischen Nutzen eines Produktes oder einer Dienstleistung bewertet. Während sich Circular Economy-Strategien häufig auf die Entwicklung von Geschäftsmodellen konzentrieren, wird in der Circular Society-Literatur die wichtige Rolle von sozialen Bottom-up-Innovationen und emanzipatorischen Verbraucherbewegungen hervorgehoben. Und schließlich gibt sie Suffizienzstrategien den Vorzug vor Effizienz- und Konsistenzmaßnahmen. Die Frage "Wie viel Konsum ist für jede*n notwendig und sollte von der Wirtschaft sichergestellt werden, und wie viel Konsum ist innerhalb der planetarischen Grenzen tolerierbar?" wird ernsthaft gestellt und versucht, eine gleichmäßige Verteilung der Ressourcen zu organisieren, um diejenigen, die zu viel haben, durch Strategien des Verzichts, des Umdenkens und der Reduzierung zu unterstützen.