Um umfassend zu verstehen, wodurch die Lebensdauer von Produkten definiert wird, muss die gesamte Produktbiographie betrachtet werden. Wie bitte? Produkte haben eine Biographie? Klingt erst mal merkwürdig. Es geht dabei aber vor allem darum, den Weg eine Produktes von der Wiege (Design und Herstellung) bis zur Bahre (Entsorgung) nachzuvollziehen. Dabei kann genauer unter die Lupe genommen werden, welche Einflussfaktoren an diesen unterschiedlichen Stationen darauf einwirken, wie lange ein Gerät lebt.
Ein Produkt entsteht - zunächst in den Köpfen
Die Geschichte eines Produkts beginnt lange bevor es auf dem Markt kommt. Zunächst muss eine Idee zum Produkt beim Hersteller entstehen und bei den Nutzer*innen der Wunsch nach einem neuen Gerät. Hersteller betreiben Marktforschung, beauftragen Trendscouts, forschen und entwickeln selbst oder gemeinsam mit der Wissenschaft an neuen Technologien und Design. Nutzer*innen möchten ein kaputtes Gerät ersetzen, sie brauchen für einen neuen Lebensabschnitt eine andere Ausstattung oder glauben, mit einem neuen Gerät ihre Bedürfnisse besser befriedigen zu können. Daraufhin lesen sie möglicherweise Bewertungen anderer Nutzer*innen im Internet, schauen sich Warentests an oder fragen ihre Bekannten.
Jedes Produkt existiert zunächst auf dem Papier oder in den Köpfen, bevor es durch komplexe Herstellungsprozesse und Lieferketten entsteht und im Laden um die Ecke bei den Nutzer*innen landen kann. Viele Faktoren und Personen wirken auf den Design- und Herstellungsprozess ein, die schließlich auch die Lebensdauer beeinflussen können.
Die Nutzungsphase - mehr als nur der reine Gebrauch
Nach dem Kauf eines Geräts folgt eine mehr oder weniger lange Phase der Nutzung, bei der eine Vielzahl von Praktiken relevant ist, die über den reinen Gebrauch hinausgehen. Während in der Konsumforschung vor allem die Kaufentscheidung beforscht wird, spielt die Praxis der Gerätenutzung eine weniger wichtige Rolle. Diese ist aus unserer Sicht aber sehr entscheidend. Zu beachten ist dabei nicht nur die Nutzung und wie oft, wie sorgsam und sachgemäß diese erfolgt. Wichtig sind auch alle Praktiken darum herum, wie die Pflege und Wartung oder die Lagerung und Aufbewahrung eine Geräts. Dabei sind die Alltagsumstände der Nutzer*innen zu berücksichtigen: Welche Nutzungsbedarfe entstehen im Alltag? Wie viel Zeit bleibt für eine sachgemäße Nutzung oder auch Wartung? Kann das Gerät für ein paar Tage während einer Reparatur entbehrt werden oder muss sofort ein Ersatz her? Entscheidend ist auch die Kompetenz der Nutzer*innen: Wie viel weiß die Person über die korrekte Pflege und Wartung? Ebenso wichtig ist der Kontext und sind Serviceangebote während der Nutzung: Gibt es einfach erreichbare und finanziell attraktive Reparaturoptionen oder sind Reparaturdienste nicht nur schwer zu finden, sondern auch teuer? Erst bei der Berücksichtigung dieser verschiedenen Aspekte kann systematisch nachvollzogen werden, warum manche Produkte schneller aus der Nutzung fallen als andere, warum auch billige Geräte manchmal sehr lange leben oder sich gegen eine Reparatur entschieden wird.
Das Ende des Lebens - oder ein Neuanfang?
In unserer Forschung haben wir beobachtet, dass die Abschaffung eines Geräts meist keine plötzliche Entscheidung ist, sondern ein Prozess vorausgeht, bei dem ein Produkt sukzessive abgewertet wird und aus der Nutzung herausfällt. Nach der Abschaffung kommt es aber nicht zwingend zum Produkttod. Produkte können ein zweites Leben führen, wenn sie gebraucht verkauft oder verschenkt werden. Sie werden aber oft auch in Schubladen, auf Speichern oder in Rumpelkammern vergessen und fallen gewissermaßen in’s Koma. Erst wenn ein Gerät im Müll landet, kann es als „tot“ bezeichnet werden.
Die Forschung
zeigt, dass viele Menschen ungern Produkte wegwerfen und diese lieber erst mal aufheben, bis es sich leichter anfühlt, sie zu entsorgen. Sie würden Produkte lieber verschenken oder spenden, als sie wegzuwerfen. Auch in dieser Phase ist entscheidend, welche Optionen und Angebote es gibt, um Produkten ein zweites oder längeres Leben zu schenken: Ist die Mülltonne die einzige Option oder gibt es einfach erreichbare Spenden- oder Verschenkoptionen?